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Blutstreich
Eine Kriminalgeschichte aus Tübingen, einer Stadt im reichen Nachbarland und von einem armen Kontinent
Independently published
Amazon KDP, 2024

„Ach, Mara, erkläre unseren Gästen bitte kurz, worauf sie sich hier am Tisch einlassen. Vielleicht überlegen sie es sich dann doch noch mal anders.“
„Hast du deinen Giftzahn heute nicht schon in ein anderes armes Opfer schlagen können?“, fragte Mara ihren Mann und grinste spitzbübisch. Dann sagte sie zu den Tübingern: „Üblicherweise müssen neue Gäste erst einmal einen Initiationsritus durchlaufen, bei dem Heiner mit diebischer Freude die Speisen erklärt: marinierter Tausendfüßler, gebackene Engerlinge und Mistbienenmaden, gekochte Greifstachlerfüße, frittierte Gottesanbeterin, zweierlei Ragout vom blauen Giftschlangenschwanz und scharf angebratenem Todesfroschschenkel, selbstverständlich fachmännisch so zubereitet, dass das Gift keine Wirkung mehr hat.“
„Nun gut“, sagte Niels Wolgrath breit lächelnd beim Anblick der gefüllten Teller. „Ich habe bestimmt schon sehr viel Schlimmeres gegessen als so wundervoll täuschend zubereitetes, garniertes und dargereichtes Maniok, Okra, Kochbananen, Mango, Hühnerflügel, Hirsekrapfen und Fladenbrot.“
„Ein ausgewiesener Kenner“, sagte Heiner Schober, als er den kühlen Wein eingoss, und schnalzte anerkennend mit der Zunge. „Bei Ihnen wären sicherlich meine alternativen Behauptungen, es handle sich um geriebene Steine und prähistorisches Saatgut, vermischt mit wundertätigen Tierexkrementen aus assyrischen Tempelanlagen, nicht durchgegangen.“
„Doch glauben Sie mir, dass die meisten Menschen in Zentralafrika das, was hier in diesen Mengen auf dem Tisch steht, höchstens auf das ganze Leben verteilt in den Magen bekommen. Aber wozu es sich auch hier schwermachen? Hat ja keiner etwas davon, wenn wir ebenfalls hungern“, sagte Heiner Schober und kredenzte nach einem kleinen Zwischengericht aus scharfen Lamm-Krautwickeln gutgelaunt den Fisch – Flussbarsch auf geröstetem Maismehlbrei mit gesalzener Ananas, gebackenem Lauch und frittierten Zwiebeln.